Kunden- und Bonuskarten – ist der Zug abgefahren?

Zusammen mit dem Internet-Hype gab es auch bei den Kundenkarten einen regelrechten Boom. Die Kundenkarte galt als der Königsweg der Kundenbindung und Wunderwaffe gegen die „New Economy“ im Internet. Doch im Jahr 2006 macht sich Ernüchterung breit. Lautstarken Erfolgsmeldungen stehen Misserfolge gegenüber. So manche Karte wird still und heimlich beerdigt oder nur noch lustlos weitergeführt. Ist die Zeit der Kundenkarten vorbei?

Es geht im Folgenden nicht um die großen Programme wie Payback. Hier liegt der Blickwinkel auf kleinen und mittleren Unternehmen im B2C-Geschäft. Sie müssen über eigene wesentlich kleinere Programme nachdenken. Was nicht heißt, dass KMUs nicht von den Erfolgen und Misserfolgen der großen Programme lernen könnten.

Warum hat ein Unternehmen bereits ein Kundenbindungsprogramm initiiert? Hoffentlich war es nicht nur der Gedanke, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. Kundenkarten-Programme müssen eine Win-Win-Situation schaffen. Beide Seiten – Kunde und Unternehmen – ziehen aus dem Programm Vorteile. Das Unternehmen definiert vorab welche Ziele mit einem Kartenprogramm erreicht werden sollen. Es existieren vier Zielbündel-Bereiche:

  •     Monetäre Gründe
  •     Wunsch nach Informationen über den Kunden und sein Verhalten
  •     Nutzung für gezielte Dialog-Maßnahmen
  •     Reaktion auf den Wettbewerb

Monetäre Gründe spielen immer eine Rolle. Wir wollen, dass unsere Kunden mehr kaufen, öfters kaufen, Neukunden angelockt werden und die Dauer einer Kundenbeziehung „ewig“ fortbesteht.Die Käufer lassen sich grob in verschiedene Gruppen einteilen. Unsere treuen Kunden kaufen sowieso bei uns. Gern werden sie zusätzliche Rabatte mitnehmen. Wir reduzieren unsere Spanne und erhöhen unsere Kosten ohne Mehrertrag.

Als zweite Gruppe gibt es die Mitmacher. Diese Kunden nehmen die Vorteile der Karte mit, ohne ihr Kaufverhalten nachhaltig zu ändern. Das heißt, sie kaufen weiterhin nicht nur bei uns, sondern auch bei der Konkurrenz und bleiben vagabundierende Käufer. Auch in dieser Gruppe verschlechtert sich das Ergebnis.

Die Verweigerer lehnen alle Kundenkarten ab. Hier sind oft „ideologische“ Gründe ausschlaggebend. Diese lassen sich meist nicht so einfach überwinden. Kundenkarten wirken unter Umständen sogar abschreckend auf diese Personen.

Erste zusätzliche Umsätze stammen von den Schnäppchenjägern. Sie lassen sich mit Rabatten anlocken. Sie kehren aber auch dem Unternehmen ganz schnell den Rücken zu, wenn ein Konkurrent ein billigeres Angebot macht. Zur „ewigen“ Kundenbindungen lassen sie sich nicht verleiten.

Wirklich interessant ist nur die Gruppe der beeinflussbaren Kunden. Treffen wir mit unserem Kartenprogramm die Vorlieben dieser Käufer, so sind positive Effekte möglich. Neukunden werden zu Stammkunden. Stammkunden kaufen häufiger, mehr usw. Diese Spezies ist zwar noch nicht akut vom Aussterben bedroht, aber in den meisten Märkten sind sie in der Minderheit bei abnehmender Tendenz.

Können uns zusätzliche Informationen über unseren Kunden helfen, unsere betriebswirtschaftlichen Ziele zu erreichen? Im Prinzip ja. Mit Kartenprogrammen wird aus anonymen Kunden ein bekannter Kunde. Wir können unseren Kunden im Laufe der Zeit immer besser kennen lernen. Mit diesem Wissen im Hintergrund entwickeln wir zielgruppengerechtere Angebote. Diese begeistern unseren Kunden. Er kauft mehr und häufiger ... soweit die Theorie.Dies setzt natürlich voraus, dass mein Angebot individualisierbar ist, was bei Massengütern nicht so einfach ist.

KMU stoßen dabei oft auf Schwierigkeiten. Der Datenschutz bereitet Probleme. Dann steht eine riesige Datenmenge zur Verfügung. Wer im KMU hat ausreichend statistischen Background, um aus diesem Datenvolumen die Schätze zu heben. Oft besteht eine Scheu, diese Auswertungen an Experten zu vergeben. Bleiben die Daten dann ungenutzt, so stehen den Kosten für die Datenerfassung und Speicherung keine Erträge gegenüber.

Gelingt es mir, den Kunden besser zu kennen, kann ich mit ihm in einen direkten Dialog treten. Der Wunsch zu diesem Dialog setzt ebenfalls ein Kennen meines Kunden voraus. Im Dialog wirken meine Werbeargumente intensiver als in anonymer Massenkommunikation.

Das letzte sinnvolle Ziel stellt die Reaktion auf Konkurrenzmaßnahmen dar. Schafft es mein direkter Mitbewerber, erfolgreich ein Kartenprogramm im Markt zu platzieren, bin ich möglicherweise gezwungen, zu reagieren. Dabei ist immer zu beachten, dass Metoo nicht ausreicht. Mein Angebot muss billiger oder – was für Kundenbindungsprogramme eher sinnvoll ist – besser sein. Mit einem schlechteren Programm richtet man mehr Schaden an.

Fassen wir zusammen: die meisten Kundenkarten-Programme schaffen es nicht unmittelbar die Gewinne des Unternehmens zu erhöhen. Es besteht sogar die Gefahr der Verschlechterung der Gewinne. Kundenkarten-Programme müssen eine Win-Win-Situation schaffen. Beide Seiten – Kunde und Unternehmen– ziehen aus dem Programm Vorteile. Dazu gehört mehr als ein paar Prozentpunkte Rabatt.